Die Uhr tickt bei der E-Rechnung

Der Plan steht, die erforderlichen gesetzlichen Regelungen sind jedoch erst einmal auf Eis gelegt: Nachdem der Bundesrat Anfang Dezember das Wachstumschancengesetz, in dem in Artikel 29 unter dem Punkt »Weitere Änderung des Umsatzsteuergesetzes« auch die E-Rechnung behandelt, vorerst gestoppt hat, befindet es sich nun im Vermittlungsausschuss.

Wie und wann es da weitergeht, ist noch unklar. Klar ist jedoch, dass sich die Entwicklung höchstens verzögern, nicht aber aufhalten lässt. Stand heute muss zunächst einmal davon ausgegangen werden, dass ab 1. Januar 2025 jedes Unternehmen E-Rechnungen empfangen können muss. Ab 1. Januar 2027 sollen dann Unternehmen mit mehr als 800.000 Euro zum Versand von E-Rechnungen verpflichtet werden, an 1. Januar 2028 dann alle.

E-Rechnung ist kein deutsches Phänomen

Bis zum Ende der Frist scheint es also noch lang zu sein. Im Gegensatz zum Ende der Schonfrist bei der DSGVO ist aber schon jetzt bekannt, was organisatorisch erwartet wird und stehen die technischen Mittel dafür zur Verfügung. Das ist aber nur ein Grund, warum Branchen-Insider keine Argumente mehr sehen, noch zuzuwarten. Auch die Entwicklung in den europäischen Nachbarländern zwingt zum Handeln – sofern man da im Geschäft ist.

Darauf weist etwa Christian Seidl, Geschäftsführer bei TIE Kinetix für die DACH-Region hin: »Ein wichtiger Punkt: Die E-Rechnung ist kein deutsches Phänomen. Sie ist ein europäisches Thema – ja sogar ein weltweites. Deshalb ist es jetzt auch schon für Mittelständler mit Filialen hochrelevant. Zum Beispiel sind Firmen ab 1.7.2024 in Polen verpflichtet, elektronische Rechnungen zu versenden.«

Andere EU-Länder sind schon weiter

Und Polen ist nur ein Beispiel. Frankreich hatte sich ebenfalls den 1. Juli als Ziel gesetzt, verschiebt den Start nun aber nach hinten, um Unternehmen etwas mehr Zeit zu geben.  Italien hatte als Vorreiter die elektronische Rechnungsstellung an Behörden schon 2014 eingeführt und zum 1. Januar 2019 auf den B2B- und B2C-Bereich ausgeweitet und in den Folgejahren fortlaufend weiterentwickelt. Der Grund für das Vorpreschen ist einfach: Der Grund für die Regelungen sind EU-weit entgangene Steuereinnahmen und in Italien war die Steuerlücke am größten.

»Der Hintergrund der E-Rechnung ist ja eigentlich nicht der Wunsch nach einer Arbeitserleichterung, sondern der, das Steuerthema zu reformieren«, fasst Seidl zusammen. »Die aktuelle steuerliche Betrachtung kommt aus der Papierzeit. Die Initiative der EU, die auch die E-Rechnung beinhaltet, heißt ja nicht umsonst ViDA (VAT in the Digital Age). Es ist also zu erwarten, dass weitere digitale Berichts- und Meldepflichten dazukommen. Auch deshalb sollten Firmen die E-Rechnung nicht als Einzelproblem sehen, sondern als Anlass für eine umfassendere Digitalisierung und ein Überdenken ihrer Prozesse.«

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Dieses Überdenken ist auch deshalb nötig, weil E-Rechnungen nicht nur in allen Ländern anders heißen, sondern dieselbe Grundidee auch leicht anders ausgestaltet ist. »Schon in Europa gibt es bei der E-Rechnung viele Unterschiede – und die betreffen alle, die in Europa Geschäfte machen, auch den Mittelständler, der gelegentlich mal eine Rechnung zum Beispiel nach Griechenland schicken muss«, sagt dazu Marcel Mühlbach, Produktmanager bei Ceyoniq.

Digitalisierungsschub statt E-Rechnungs-Projekt

»Viele Firmen sehen die E-Rechnung als Pflichterfüllung«, berichtet Andreas Dahms, der bei Tie Kinetix Partner und Channel betreut. »Dass sei beim Rechnungs-Management mit Porto, Papier, Abläufen etc. 30 bis 40 Euro einsparen können ist aus meiner Sicht durchaus realistisch, sollte aber nicht entscheidend sein. Denn die eigentliche Frage ist: Inwieweit schaffe ich es, mit Digitalisierung Kräfte freizusetzen, die mir sonst fehlen?«

Die eigentliche Frage bei der E-Rechnung ist laut Andreas Dahms, der sich bei Tie Kinetix um die Partner und den Channel kümmert: »Inwieweit schaffe ich es, mit Digitalisierung Kräfte freizusetzen, die mir sonst fehlen?« 

Das Worst-Case-Szenario sei es, Rechnungen von Hand einzutippen – »aber das gibt es 2024 auch noch«, weiß Dahms. Ein Grund dafür ist, dass jede Firma die Rechnung anders schreibt – nämlich so, wie sie es für ihre Anforderungen am besten hält. Damit ist Rechnungserstellung kein Produkt von der Stange und damit aufwändig gewesen. Allerdings machen jetzt eben nicht nur verstärkt große Abnehmer Druck, sondern auch der Gesetzgeber.

Fairerweise muss gesagt werden, dass Abtippen und PDF-Versand durchaus rückläufig sind. Laut Bitkom nutzen im Sommer 2023 bereits 59 Prozent der Firmen, die Rechnungen in digitaler Form stellen, E-Rechnungsstandards wie EDI, ZUGFeRD oder XRechnung. Tendenz: Umso größer die Firma, umso höher der Durchdringungsgrad.

Startpunkt und Perspektiven der E-Rechnung

»Wir konzentrieren uns bei neuen Kunden auf die Eingangsrechnung – einfach, weil da am einfachsten und schnellsten Erfolge sichtbar sind«, berichtet Mühlbach für Ceyoniq. Im Mittelstand mit überschaubaren Anzahlen an Rechnungen sei das bisher nicht so wichtig gewesen. »Teilweise wird ein PDF in der E-Mail immer noch als E-Rechnung angesehen. Jetzt wird das Thema allerdings durch den Staat gepusht und gewinnt an Fahrt«, bilanziert Mühlbach.

Dahms ergänzt: »Die Rechnung per PDF war keine echte Digitalisierung: Die Daten mussten immer noch ausgelesen werden, um sie weiter zu verarbeiten. Außerdem ist das Denken hinter einem PDF immer noch papierbezogen – und damit sind es auch die Prozesse rund um die PDF-Verarbeitung. Auf diesem Weg lässt sich nur bis zu einem gewissen Grad digitalisieren.«

Die Perspektive sei es aber, ohne Papier zu arbeiten. Zusätzlich zu den schon länger bestehenden gesetzliche Vorgaben gebe es jetzt den Trend, ein Austauschmedium zwischen Behörden und Unternehmen zu entwickeln – nicht nur für Rechnungen, sondern auch für andere Informationen. Das kann Berichts- und Meldepflichten erleichtern, erfordert aber auch einige Vorarbeiten und gut ausgearbeitet Konzepte.

Kleine Schritte – aber Hauptsache den ersten Schritt machen

Trotzdem muss die Beschäftigung mit dem Thema nicht gleich zum ganz großen, unternehmensweiten Wurf führen. »Das Thema angehen heißt ja nicht, das gleich alle Bereiche und Abteilungen erfasst werden müssen«, erinnert Seidl. »Sinnvoll ist es, bei den Eingangsrechnungen anfangen, das bringt den großen Benefit. Ausgangsrechnungen sind komplexer, weil vielseitiger. Und dabei gilt es oft auch, bereits am ERP-System anzusetzen. Auch da lohnt es sich, frühzeitig anzufangen und Zeit einzuplanen, denn bei dem Punkt haben viele Unternehmen aufgrund der aktuellen Umstellungen noch ganz andere Baustellen.«

Die Herausforderung bisher ist aus Sicht vieler Unternehmen, Daten sicher ins Unternehmen zu bringen und auch wieder aus dem Unternehmen hinaus. Der zweite und wesentlich lohnendere Schritt ist es laut Dahms jedoch, die Daten im Unternehmen auch zu verarbeiten. »Etwa nicht mehr jeden Tag ins Unternehmen zu fahren, die Post in Empfang nehmen, auszudrucken und abzustempeln. Sondern den Vorgang auch mal im Homeoffice bearbeiten zu können.«

Papier wird da zum Bremsklotz – und deshalb weitgehend ersetzt. »Künftig werden wir nur noch mit den Datensätzen arbeiten, nicht mehr mit eine ausdruckbaren Dokument«, prognostiziert Dahms. »Die Daten, müssen dann in die Workflows integriert werden. Dafür reicht dann auch ein System das sich nur auf einen Aspekt des gesamten Prozesses konzentriert, nicht mehr aus.«

Die E-Rechnung sieht Dahms damit nur als einen Zwischenschritt. »Irgendwann kommt die elektronische Bestellung auf den Tisch. Der Mittelstand ist da oft gar nicht mehr so weit davon weg. Dann lässt sich die Rechnung von Maschinen mit der Bestellung abgleichen und ‚dunkel‘ verbuchen. Die Mitarbeiter können sich dann um wichtige Themen kümmern, etwa einmalige Rechnungen, komplizierte Kunden oder Rechnungen mit hohen Beträgen«, skizziert Dahms.

Dieser Artikel war ursprünglich bei ECMGuide unter https://www.ecmguide.de/news/unternehmen-sollten-2024-zum-jahr-der-e-rechnung-machen/ veröffentlicht.